Hausbootferien auf Rädern

Hausbootferien auf Rädern

Erfahrungen eines Booteinweisers

Was macht ein barrierefreies Boot aus?

Seit es die sogenannten Pontonboote auf dem Binnenchartermarkt gibt, ist Hausboot fahren auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkung attraktiv im Sinne von „machbar“ geworden. Alle Bereiche, mit Ausnahme des nur über eine Leiter oder Treppe zugänglichen Kajütdachs, befinden sich auf einer Ebene und mindestens eine Kabine verfügt über ausreichend breite Türen für den Rollstuhl. Die Nasszelle verfügt über die obligatorische Ausstattung wie Haltegriffe, eine mit dem Boden bündige, befahrbare Duschwanne und einen Klappsitz fürs Duschen. Weiterhin gibt es in der Küche einen unterfahrbaren Bereich damit Spüle und Küchengeräte ohne fremde Hilfe genutzt werden können.

Was ist an Deck anders?

Der barrierefreie Zugang vom Steg führt zunächst aufs Vordeck. Eventuelle Höhenunterschiede werden mit einer stabilen Klapprampe überbrückt, wie man sie von öffentlichen Verkehrsmitteln kennt. Das Vordeck dient als Freifläche und Badeplattform. Es beherbergt den Fahrstand, die vorderen Belegklampen für die Leinen und den Hauptanker. Das auf Booten Reling genannte Schutzgeländer ist je nach Bauart und Optik in Metall oder Holz gehalten. Vorn und an den Seiten befinden sich Öffnungen, die mit Leinen oder Ketten gesichert sind. Die Relingöffnungen dienen dem Betreten und Verlassen des Bootes im Hafen und dem besseren Handling bei Leinenmanövern. Üblicherweise liegen die Boote bei Übergabe mit dem Bug am Steg, weil hier die Relingöffnung breit genug für den Rollstuhl ist. Dementsprechend sollte man unterwegs auch mit dem Bug am Gaststeg festmachen, um bequem an Land zu kommen. Aber auch die seitlichen Öffnungen in der Reling sind breit genug für den Rollstuhle. Vor Anker liegend lässt sich am Bug die Badeleiter ausklappen.

Auch der Fahrstand auf dem Vorschiff ist so gestaltet, dass Rollstuhlfahrer das Boot in bequemer Sitzhaltung steuern können. Das Steuerrad ist ausreichend hoch und die Säule mit dem Steuerrad, dem Schalthebel und den Schaltern für Signalhorn, Lichter und so weiter vom Rollstuhl aus erreichbar. Für den Blick nach achtern sind an beiden Fahrstandüberdachungen Rückspiegel wie bei Bussen oder LKW angebracht. Alternativ oder zusätzlich sind auf bestimmten Booten auch Kameras am Heck verbaut, die über einen Monitor am Fahrstand überwacht werden.

Das leichte Handling schwerer Ausrüstung

Ein weiteres Kriterium nicht nur auf einem barrierefreien Charterboot ist der Anker. Der Hauptanker befindet sich üblicherweise im Bereich des Vordecks in der Nähe des Fahrstands. Je nach Bootsgröße kann der Anker in eine Gewichtskategorie fallen, an der sich vor allem reine Damencrews mitunter schwertun, diesen über Bord zu werfen und wieder hochzuholen. Um sicher zu sein, die richtige Wahl zu treffen, sollte am besten schon bei der Buchung gefragt werden, ob das Boot auch über eine Ankerwinde verfügt, und ob diese manuell oder elektrisch bewegt wird. Der Heckanker ist üblicherweise auf der meist deutlich kleineren Plattform in der Nähe des Außenbordmotors zu finden und für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich.

Soweit die grundlegenden Gegebenheiten auf rollstuhlgeeigneten Hausbooten.

Erfahrungen mit unterschiedlichen Behinderungen

Als Booteinweiser sind mir Gäste mit unterschiedlichsten Einschränkungen begegnet. Unter den Gästen im Seniorenalter ist die Ursache für die körperliche Einschränkung im Idealfall nur dem Alter geschuldet. Diese Gäste haben in jungen Jahren häufig selbst ein Boot gefahren und sind mit den Gegebenheiten an Bord vertraut. Häufig kommen Oma und Opa noch mit eigener Kraft aus dem Rollstuhl heraus, können einige Schritte gehen und den Sitzplatz wechseln. Sie besitzen genügend Lebenserfahrung, um selbst einzuschätzen, wo sie sich trotz ihrer Einschränkungen an Bord nützlich machen können und wann es ratsam ist, sich zurückzuziehen und den Jüngeren das Ruder zu überlassen.

Etwas komplizierter wird es, wenn jemand ohne Bootserfahrung in seinen Bewegungen eingeschränkt ist, zu Beispiel durch einen Schlaganfall, einen Unfall oder eine Amputation. Überlegen Sie, was Sie zu Hause können und nehem Sie sich nicht zuviel vor. Können Sie beherzt und schnell zugreifen? Prima. Falls nicht: Besprechen Sie mit der Crew, wie zum Beispiel bei Anlegen und in der Schleuse die Aufgaben sinnvoll verteilt sind. Das kann bedeutet, dass der oder die Rollstuhlfahrer(in) im Bootsinneren den Blick auf das Geschehen aus sicherer Distanz genießt oder der oder die Rollstuhlfahrer(in) übernimmt als in die Charterbescheinigung eingetragener Schiffsführer den Job am Fahrstand und überlässt das Handling der Leinen den anderen Crewmitgliedern.

Fehlt es allein an der körperlichen Kraft in den Gliedmaßen, um insbesondere das Steuerrad und den Gashebel sicher zu bedienen, und kommt dann noch eine ausgeprägte Pflegebedürftigkeit hinzu, sollte ein Plan B ins Auge gefasst werden. Wird der Gast von Pflegepersonal begleitet, sollte eine der Begleitpersonen als verantwortlicher Schiffsführer zur Verfügung stehen und entsprechend eingewiesen werden. Diese Rollenverteilung sollte idealerweise bereits vor der Reisebuchung geklärt worden sein, damit die pflegende Begleitperson nicht erst an Bord mit der neuen Aufgabe überrumpelt wird. Die pflegebedürftigen und die pflegenden Personen sind in der Regel eingespielte Teams mit einem ausgeprägten Vertrauensverhältnis, sodass am Ende das gemeinsame Bordleben auch in der neuen Umgebung eines Hausbootes eine runde Sache wird.

Eine besondere Erfahrung für einen Booteinweiser ist die Begegnung mit von Geburt an schwer geistig und körperlich behinderten Menschen. Die überwiegend jungen Menschen kommen in Begleitung der Familie. Hier ist besondere Sensibilität gefragt, wenn zum Beispiel der gut gemeinte Handschlag zur Begrüßung beim Betroffenen große Schmerzen auslöst und die Familie ihren Schützling wieder beruhigen muss. Es kommt auch vor, dass der Einweiser ungewollt in die Privatsphäre der Familie eindringt, wenn er dem zukünftigen Schiffsführer zum Beispiel den Außenborder erklärt und dabei die Heckkabine passieren muss, in der das behinderte Kind nach der langen Anreise pflegerisch versorgt wird. Betroffene Familien sollten sich dessen bewusst sein und ihre speziellen Bedürfnisse klar kommunizieren. Dann können sie darauf vertrauen, dass seitens des Einweisers so gut wie alles getan wird, damit die Bootsreise gelingt. Dazu gehört auch, dass die Einweisung über das für die Charterbescheinigung vorgesehene Pflichtprogramm hinausgeht und den individuellen Bedürfnissen der Familie oder Gruppe gerecht wird. Es versteht sich von selbst, dass die Person im Rollstuhl in besonderer Weise geschützt sein muss, sei es durch das Tragen einer Rettungsweste und das seemäßige Arretieren des Rollstuhls während der Fahrt und vor Anker liegend.

Eine Frage des Selbstvertrauens

Wozu Chartergäste mit Mobilitätseinschränkungen in der Lage sind, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Zwei junge Damen haben ein Boot gechartert, die eine mit dem Rollstuhl uterwegs, die andere nicht. Beide erweisen sich auf meine Nachfrage nicht als beste Schwestern, aber als „ziemlich beste“ Freundinnen, die schon andere Herausforderungen gemeinsam gemeistert haben und offen für Neues sind. Die Beiden haben sich darauf verständigt, dass die Dame im Rollstuhl Schiffsführerin ist. Ich frage nach ihren körperlichen Möglichkeiten und erfahre, dass unterhalb der Gürtellinie eine vollständige Lähmung vorliegt und ein kurzfristiges Verlassen des Rollstuhls nicht möglich ist. Der Oberkörper ist jedoch beweglich und die Arme sind in vollem Umfang zu gebrauchen. Ich frage weiter nach der Fahrtroute. Diese soll nicht in die nächstbeste Ankerbucht um die Ecke, sondern gleich zur nächsten Schleuse führen. Während viele andere Bootchartergäste ohne Handicap Schleusen so gut es geht meiden, sehen die beiden darin nur eine weitere Challenge unter vielen bereits absolvierten. Respekt, Respekt!
Nun stehe ich als Einweiser vor der Herausforderung, den beiden zu erklären, wie sie zu zweit das Boot möglichst stressfrei an die Schleusenwand schieben, die Leinen elegant an einer Befestigungsmöglichkeit durchkriegen und anschließend während des Schleusens die Leinen führen. Wir finden eine Lösung und machen auch gleich eine „Trockenübung“ an der Spundwand, an der sich Befestigungsbügel ähnlich denen in einer Schleuse befinden. Anschließend machen wir abweichend vom Standardprogramm noch einen kurzen Abstecher zur Ansteuerungstonne, um ein Gefühl für die Wellen der Müritz zu bekommen. Während die „ziemlich beste“ Freundin das Gepäck an Bord bringt, schiebe ich die Skipperin zur theoretischen Unterweisung. Am nächsten Vormittag fahren sie das Boot ohne die bei Anfängern üblichen Schlangenlinien durch den Kanal auf die Müritz und kriegen ebenso elegant die Kurve in Richtung der roten Tonnen entlang des Südufers.

Fazit: Es ist vieles möglich, wenn man nur will und sich nicht von Schicksalsschlägen davon abbringen lässt. Wenn meine Einweiserkollegen und ich Chartergästen dabei helfen können, ihre individuelle Dosis an Selbstvertrauen zu finden, haben wir uns das Feierabendbier an der Beach Bar redlich verdient.

Text: Klaus Neumann

Fotos: Kuhnle-Tours / Harald Mertes

Hausboot fahren im Herbst

Indian Summer auf Havel, Spree und Dahme

Der Goldene Oktober lockt unabhängig von den Herbstferien zu einem Törn auf Seen und Flüssen. Die Taschen sind schnell gepackt. Angebrochene Speisen und Getränke aus der Küche werden in der Kühlbox verstaut. Zu dritt erreichen wir nach knapp drei Stunden gegen Mittag die Charterbasis am Südufer der Müritz.

Einige ungeduldige Chartergäste schlendern bereits vorm Einchecken und der Einweisung über den Steg. Auch wir haben es eilig, verstauen Gepäck und Vorräte im Boot, holen uns im Büro einen aktuellen Törnatlas und legen ab. Die zu Hause frisch zubereitete Lasagne sollte für den ersten Abend reichen. Spätestens am nächsten Tag wollen wir in Fürstenberg an der Havel beim Discounter nachbunkern.

Die Schleusen im Mecklenburg-Vorpommern schließen rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit schon gegen 17.45 Uhr. Fünf Stunden sollten reichen, um noch am ersten Tag ein Stück voranzukommen. Wir schaffen ohne Warten vier Schleusen. Hinter der Kleinen Müritz entdecken wir über dem Sumpfsee Adler in der Luft. Im Lärzer Kanal vor Mirow leuchten die Gefieder einiger Eisvögel im Licht der Nachmittagssonne. Spätestens ab dem Zotzensee südlich von Mirow sind wir umgeben vom „Indian Summer“. Bei Priepert mündet der Oberlauf der Havel von Norden kommend in den Ellbogensee. Am Abend machen gemütlich an der Sportbootwartestelle in Steinhavel fest. Nach dem ersten Anlegebier steigt der Duft der Lasagne vom Backofen in den Salon. Im Schein der übereinanderstehenden roten Ampeln vor der Schleuse stimmen wir uns auf eine erholsame Woche auf dem Wasser ein. Müde kriechen wir in die Kojen.

Tag 2

Am nächsten Morgen leuchten die beiden Ampeln wie am Vorabend übereinanderstehend. Das bedeutet, die Schleuse ist außer Betrieb. Als Gedankenstütze kann man sich einen Schleusenwärter im Schlaf vorstellen. Auf der Seite liegend stehen seine Augen für den Betrachter übereinander. Ist der Schleusenwärter aufgestanden und aufrecht zum Dienst gegangen, stehen beide Augen nebeneinander. Dann leuchten auch die beiden roten Ampeln nebeneinander. Genaugenommen erlischt eine Ampel und stattdessen wird eine dritte Leuchte dazugeschaltet.

In unserem Fall erlischt eines der beiden roten Lichter wenige Minuten vor Betriebsbeginn, ohne dass ein zweites eingeschaltet wird. Das bedeutet, dass die Schleusung vorbereitet und unmittelbar bevorsteht. Kurz darauf erlischt das rote Licht und wechselt auf Grün. Wir starten den Motor, legen ab und jonglieren das Boot in die Schleusenkammer. Nach wenigen Minuten sind wir draußen, fahren über die enge Havel auf den Röblinsee und sehen die Kulisse von Fürstenberg voraus. Hinter der ersten Selbstbedienungsschleuse auf dieser Reise machen wir am Gästesteg des Fürstenberger Yachtclubs fest, legen 3 Euro Kurzliegegeld in den Briefkasten des Hafenmeisterbüros und schlendern vorbei am Schluss zum nahegelegenen Supermarkt. Die für eine Woche bemessenen Vorräte verteilen wir auf Kühlschrank und freie Schubläden.

Weiter geht es nun im Land Brandenburg über den Schwedtsee vorbei an der ehemaligen Eisenbahnfähre der Gedenkstätte Ravensbrück auf den Stolpsee. An dessen Südostufer wechselt die Kulisse. Hinter den alten im Wasser stehenden Bootshäusern ragt das von Buchen bewachsene Ufer steil auf. Nach zahlreichen Kurven erreichen wir Bredereiche mit dem einer Guillotine ähnelnden oberen Schleusentor. Ein Stück weiter erreichen wir Regow mit der Ziegenfarm Capriolenhof. Der Käse von hier wir in Berliner Sternerestaurants und Märkte in der Region geliefert. Im Herbst öffnet der Hofladen nur am Wochenende. Wir sparen uns den Besuch für die Rückfahrt auf.

An der Schleuse Zaaren widerfährt uns ein Missgeschick. In der Eile dreht unser Mitfahrer statt des grünen den roten Bedienhebel und löst einen Notstopp der Schleusung aus. Über die Sprechsäule erreichen wir niemand und auch nicht über o2. Zum Glück hat unser Crewmitglied einen anderen Handyprovider, über den die Verbindung mit der Leitzentrale endlich zustande kommt. Der Mitarbeiter will versuchen, das Problem in etwa zehn Minuten zu lösen. Es besteht aber keine Internetverbindung und deshalb könne kein Reset der Schleusensteuerung durchgeführt werden. Dass man mitten in der märkischen Walachei bei technischen Infrastruktur ausgerechnet aufs Internet vertraut, gibt uns zu denken. Ein Blick auf die Masten mit den Webcams gibt einen Hinweis auf die Übertragungsart des Internets: Satellitenschüsseln deuten darauf hin, dass die Bilder über den Äther in die Leitzentrale übermittelt werden. Demnach dürfte der Mann am Bildschirm statt der Schleuse gerade Schnee sehen.

Nach einer Weile rufen wir erneut in der Zentrale an. Der Mitarbeiter sagt, er hätte nun aus Eberswalde einen Techniker in Marsch gesetzt. Bis der eintrifft, kann es eine gute Stunde dauern. Nach eineinhalb Stunden Wartezeit ist von dem Techniker nichts zu sehen. Plötzlich verstummt der nervige Alarmton und das Schleusentor schließt hinter uns. Wir lösen die Festmacher, um beim Abstieg nicht in der Kammer hängenzubleiben. Mit deutlicher Verspätung und reichlich Fontane-Feeling auf der verbleibenden Strecke erreichen wir am Abend Zehdenick noch rechtzeitig vor Schleusenschluss. Hinter der gleichzeitig mit der Schleuse öffnenden Klappbrücke machen wir über Nacht an der Wartestelle fest.

Tag 3

Am dritten Tag zieht es uns in aller Frühe zum Bäcker am Rathausmarkt. Zeitig legen wir ab, um durch den Vosskanal und die Schleusen in Bischofswerder und Liebenwalde zu gelangen. Die Ampeln stehen bereits auf Grün. Wir fahren direkt in die Kammer und bedienen mit besonderer Vorsicht den grünen Hebel. Über die Oder-Havel-Wasserstraße erreichen wir die Wartestelle der Schleuse Lehnitz. Wir warten auf einen angekündigten Eisbrecher. Hinter diesem dürfen wir in die Kammer fahren. Wir blicken gespannt aufs Schilf zwischen dem Wartesteg und der Uferböschung und hoffen, einen Biber zu sehen. Leider haben wir heute kein Glück.

Wir lassen den Lehnitzsee und die Kleingärten von Oranienburg hinter uns. Einige Kilometer weiter erreichen wir das 1917 von der AEG gegründete Elektrostahlwerk Hennigsdorf. Lastkähne aus Richtung Polen liefern hier Metallschrott für die Schmelzöfen an. Kurz vor der Abzweigung in den Nieder-Neuendorfer See passieren wir das Eisenbahnwerk von Bombardier. Auf den Abstellgleisen zum Kanal hin warten Regionalexpresszüge für die DB und die Österreichischen Bundesbahnen auf die Übergabe. Seit wir ab dem Havel-Oder-Dreieck auf dem Kanal fahren, haben wir noch kein Binnenschiff gesehen. Einen Biber entdeckten wir kurz hinter Oranienburg.

Auf dem Nieder-Neuendorfer See verlief früher die DDR-Grenze zu Westberlin. Hier kommt uns von der Spandauer Schleuse her das erste Binnenschiff entgegen. Kurz vor Tegelort wird das Fahrwasser der Havel enger und wir gehen mit der Fahrt runter, um die Autofähre vor uns vorbeizulassen. Vor uns liegt Spandau mit der Insel Eiswerder vor uns und den alten Speichern zur Rechten, die zu Eigentumswohnungen mit Wasserblick umgebaut werden. Ohne lange Wartezeit gelangen wir durch die Schleuse und nehmen Kurs auf Gatow.

Wir melden uns bei den Eltern unserer Schwiegertochter. 20 Minuten später machen wir in der Nähe des Hauses fest. Coffee time. Die Verwandtschaft liefert Nachschub an Kaffeefiltern und wir frischen Kaffee und den Obstkuchen vom Bäcker in Zehdenick. Schwiegertochters Papa ist von unserem Bootsnamen LURCHI ganz angetan. Der weckt in ihm Erinnerungen an die Kindheit, als es im Schuhgeschäft die Hefte mit dem Salamander zum Sammeln gab. Die Großmutter nannte ihn damals Lurchi.

In der Abenddämmerung geht es zurück nach Spandau, um eine weitere Mitfahrerin am Bahnhof im Empfang zu nehmen. Die Wartezeit auf den ICE wird genutzt, um schnell noch einige Flaschen Wein nachzubunkern. Zu viert starten wir von der Spreemündung aus in Richtung Charlottenburger Schleuse. Wir erreichen diese kurz vor 22 Uhr. Am Charlottenburger Ufer neben dem Schloss machen wir am öffentlichen 24-Stunden-Anleger über Nacht fest.

Tag 4

Im Morgengrauen werden wir von Bauarbeiten am gegenüberliegenden Ufer geweckt. Gut so, denn wir wollen zeitig durchs Regierungsviertel. Es ist noch ruhig auf der Spree und wir können uns in dem von den Behörden vorgegebenem Zeitfenster ohne Druck voranschleichen. Die überwiegend älteren Industriebauten im Kreuzungsbereich der Spree mit dem Landwehr- und dem Charlottenburger Verbindungskanal gehen allmählich in die Repräsentationsbauten der Politik über. Die S-Bahnstation Bellevue kündigt den Amtssitz des Bundespräsidenten an, der sich hinter einer mit Videokameras bespickten Mauer befindet. Die der Spree abgeneigte Fassade mit dem Rasen davor ist dennoch gut zu erkennen. Dahinter ragt die goldene Viktoria auf der Siegessäule thronend über die Baumkronen des Großen Tiergartens hinweg.

Auf dem Moabiter Werder zur Linken erstreckt sich die schlangenartig gewellte, kurz vor der Wende von Georg Bumiller entworfene Anlage mit 700 Wohnungen, an deren östlichem Ende das Erweiterungsterrain fürs Kanzleramt anschließt. Gegenüber zeigt sich das markante Haus der Kulturen der Welt, die vom amerikanischen Volk nach dem Zweiten Weltkrieg gestiftete ehemalige Kongresshalle, im Volksmund „Schwangere Auster“ genannt. Gleich dahinter folgt der wuchtige Betonbau des Bundeskanzleramts mit der Brücke zum Erweiterungsgelände, und an der Flagge zu erkennen die Botschaft der Schweiz. Am Nordufer der Spree gegenüber erstrahlt kaum noch erkennbar die gläserne Konstruktion des Hauptbahnhofs. Auf dem Washingtonplatz stört ein Glaswürfel den freien Blick auf das Bahnhofsgebäude. Als Solitär wäre der Cube Berlin mit der nach innen gefalteten Glasfassade architektonisch interessant. Den Bahnhof verdeckend wirkt das Gebäude deplatziert. Ob sich der Stadtplaner dessen wohl bewusst ist?

Hinter dem Hauptbahnhof ragt ein weiterer Würfel schon länger über die Dächer Berlins – der des berühmten Klinikums Charité. Hinter dem Spreebogenpark verbindet eine Fußgängerbrücke das nach Paul-Löbe benannte Abgeordnetenhaus mit der Bibliothek des Bundestages. Direkt am Ufer gedenken „Weiße Kreuze“ den Opfern, die genau hier und an anderen Stellen bei der Flucht über die Mauer ums Leben gekommen sind. Dahinter öffnet sich für einen Moment der Blick auf das Reichstagsgebäude. Hinter der Marschallbrücke liegt linkerhand der für 24 Stunden kostenlos nutzbare Sportbootanleger Schiffbauerdamm mit Blick auf das ARD-Hauptstadtstudio.

Hier auch nur für einige Stunden festzumachen lohnt sich. Am Reichstagsufer entlang führt der Weg zum Bahnhof Friedrichsstraße. Im „Tränenpalast“, dem ehemaligen Abfertigungsgebäude für die Ausreise aus Ostberlin, bietet eine sehenswerte Ausstellung interessante Einblicke in das ehemals geteilte Berlin. Gegenüber auf dem Schiffbauerdamm führt der Weg vorbei an der „Ständigen Vertretung“ zu Bertold Brechts Wirkungsstätte Berliner Ensemble. Gegenüber vom Bahnhof an der Friedrichstraße locken der Admiralspalast und das Kabarett Distel ins Theater. Hinter der Weidendammer Brücke liegt rechts das berühmte Revuetheater Friedrichstadtpalast.

Dahinter mündet die Friedrichstraße in die Chausseestraße. Hinter einer Mauer liegen der Kirchhof der Französischen Reformierten Gemeinde und der Dorotheenstädtische Friedhof. Die hier neben Brecht und Helene Weigel ruhenden Prominenten bis hin in die jüngere Zeit würde den Rahmen sprengen. Lieber sollte sich der Leser die Zeit nehmen, hier selbst auf Entdeckungstour zu gehen.

Unsere Bootstour führt an der Museumsinsel vorbei. Dem Bode-Museum mit byzantinischer Kunst folgen das Pergamonmuseum mit den antiken Sammlungen und die Alte Nationalgalerie mit dem Reiterstandbild Friedrich Wilhelm IV. Unübersehbar an der nächsten Brücke ragt die Kuppel des Berliner Doms empor, gefolgt vom wieder aufgebauten Stadtschloss, an dessen Stelle zu DDR-Zeiten der Palast der Republik stand. Heute befinden sich im Schloss die Kunstausstellungen des Humboldt-Forums.

Hinter der Rathausbrücke, benannt nach dem nahegelegenen Roten Rathaus, reihen sich an unserer Backbordseite die Kneipen des Nikolaiviertels aneinander. Kurz vor der Mühlendammbrücke links liegt die Sportbootwartestelle der gleichnamigen Schleuse. Wir lassen ein in Gegenrichtung fahrendes Schiff der weißen Flotte passieren und fahren direkt in die Kammer ein.

Hinter der Schleuse lohnt ein Blick auf den Historischen Hafen und das Märkische Museum der Berliner Geschichte und Kultur. Passend zur Hafenszene bietet das Marinehaus maritime Kneipenatmosphäre. Gleich daneben hat sich die Volksrepublik China unübersehbar mit ihrer Botschaft niedergelassen. Hinter der Jannowitzbrücke schlängeln sich S- und Fernbahn auf Stützen am Ufer entlang in Richtung Ostbahnhof. Dahinter macht sich allmählich Berlins Partyszene mit zahlreichen Strandbars breit.

Hinter der Schillingbrücke schlängeln sich zwischen Stralauer Allee und Ufer einige hundert Meter verbliebene Mauer entlang. Leider sind die Kunstwerke der Eastside Gallery nur von der Straßenseite aus zu betrachten. Die der Spree zugewandte Seite mit den weniger künstlerisch wertvollen Graffitis wurde gerade weiß übermalt.

Die Mauerreste enden kurz vor der berühmten Oberbaumbrücke mit den beide Türmen. Hier befand sich einst ein Grenzübergang zwischen Ost und West. Gleich dahinter liegt am Anfang des ehemaligen Osthafens die Deutschlandzentrale eines amerikanischen Medienkonzerns. Früher hatte das Gebäude die Funktion eines riesigen Eierkühlhauses.

Wir fahren vorbei an der Einfahrt zum Landwehrkanal und dem Flutgraben mit dem vor Wintereinbruch geleerten Badeschiff und dem Partyschiff HOPPETOSSE außerhalb des Fahrwassers auf der Innenseite des ehemaligen Zollstegs dicht am Ufer entlang. Vorsichtig und mit Blick aufs Echolot zwängen wir uns am Bug einer Schiffsruine vorbei in Richtung Molecule Man. Die dreiteilige Metallskulptur soll die Einheit Berlins symbolisieren. Kurz vor der Elsenbrücke liegt eine Reihe gelber Sperrtonnen quer im Fahrwasser. Die Brücke weicht gerade einem Neubau und wir überlegen uns eine Alternativroute in Richtung Köpenick.

Die Oberschleuse des Landwehrkanals öffnet um 11.15 Uhr. Zeit für eine Kaffeepause. Ein Polizeiboot fährt eine halbe Stunde früher in die Schleuse. Der Skipper bittet uns, ihm nicht zu folgen. Schade. Angesichts der großen Schleusenkammer hätten wir die Gelegenheit gern genutzt. Mit zwei anderen Sportbooten, davon einem futuristisch anmutenden Rumpf mit Schweizer Flagge, passieren wir zur angekündigten Zeit die Oberschleuse und fahren mit reduzierter Geschwindigkeit im Konvoi in Richtung Neuköllner Kanal. Die Selbstbedienungsschleuse Neukölln scheint ein wenig altersschwach und träge. Der Wasserausgleich erfolgt anscheinend nicht über Klappenschütze. Das Tor vor uns öffnet nur einen Spalt weit und der Wasserausgleich geht gemächlich von statten. Dann öffnet sich das Tor für die Ausfahrt.

An der Kreuzung mit dem Teltowkanal entscheiden wir uns für den Umweg über den Britzer Verbindungskanal, um nach drei Kilometern wieder auf die Treptower Spree zu gelangen. Das östliche Ende des Teltowkanals wird von tristem Gewerbegelände flankiert. An der Spree erwarten uns historische Industriearchitektur und ein Bootsanleger mit Shoppingmöglichkeit.

In Köpenick entschließen wir uns, die Route über den Großen Müggelsee nach Zeuthen zu nehmen. Auf der Müggelspree in Klein Venedig kommt uns das andere Charterboot vom Landwehrkanal entgegen. Der Gosener Kanal ist wegen Arbeiten an einer Brücke gesperrt. Wir kehren um und nehmen die direkte Route. Am Köpenicker Schloss vorbei geht es zur olympischen Ruderregattastrecke von 1936 bei Grünau. Vorbei an den kleinen Inseln vor Karolinenhof erreichen wir die Schmöckwitzer Brücke. Auf dem Zeuthener See lassen wir die beflaggte Villa Dussmann an Steuerbord liegen und nehmen Kurs auf den Kirchturm. Nach dreieinhalb Tagen und rechtzeitig zum Abendessen beim Griechen nebenan erreichen wir den Zeuthener Steg von Kuhnle-Tours.

© 2022 by Klaus Neumann

Mit dem 9-Euro-Ticket zum Boot

Seit dem 1. Juni 2022 kann man drei Monate lang mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für monatlich neun Euro unterwegs sein. Das Ticket habe ich seit einer Woche auf meiner DB-Navigator-App und zur Sicherheit auch ausgedruckt dabei. Damit ich auch am Zielort unabhängig von Verkehrsmitteln mobil bin, habe ich mir ein 20-Zoll-Klapprad zugelegt. Klappräder kann man auf die Maße eines Gepäckstücks verkleinern und neben dem Gepäck verstauen.

Hat geklappt: Das Rad ist im Abteil verstaut.

Für die 9-Euro-Premiere habe ich mir gleich am ersten Tag ein anspruchsvolles Ziel gewählt. Es soll nach Waren an der Müritz gehen und von dort aus mit dem Klapprad durch den Nationalpark nach Rechlin. Vom Hamburger Hauptbahnhof sind erstmal 3,5 Stunden in Regionalzügen zu bewältigen. Um 6:21 Uhr geht es los mit dem RE 1 in Richtung Rostock. Hinter Bad Kleinen öffnet sich der Blick auf den Schweriner See – ein erster Hauch von der Seenlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns.

Durchs Zugfenster: der Schweriner See

In Bützow heißt es in den nächsten Zug umsteigen. Bützow wirkt wie ein verschlafenes Netz mit überdimensioniertem Bahnhofsgebäude, in einschlägigen Kreisen eher bekannt wegen seiner Justizvollzugsanstalt. B&B hieß zu DDR-Zeiten nicht Bed & Breakfast, sondern Bützow und Bautzen, klärt mich mein Gegenüber auf. Mit dem Tagesrucksack auf dem Rücken und dem Bike unterm Arm gehe ich durch den Tunnel zum anderen Bahnsteig. Die Fahrt nach Güstrow dauert nur kurz: eine Station weiter ist die Fahrt zu Ende. Die Zugbegleiterin wundert sich: „Heute fahren alle mit dem gleichen Ticket“. Das vereinfacht die Sache für sie enorm: kein Nachlösen wegen der Nutzung eines falschen Zuges außerhalb des Gültigkeitsbereichs der Karte. Verpasst jemand einen Anschlusszug, nimmt man einfach den nächsten. Notfalls mit einem Umweg, ohne auf spezielle Tarifzonen Rücksicht nehmen zu müssen.

Ticket ohne Fallstricke

Ansonsten entgegen allen Befürchtungen: Keine Drängelei, kein Geschiebe, und Platz genug für alle. Und vor allem kein Stress, weder bei den Fahrgästen noch beim Bahnpersonal. Nach kurzer Wartezeit geht es mit dem Regionalexpress Rostock-Elsterwerda via Berlin weiter nach Waren. Um 9:28 Uhr verlasse ich nach gut drei Stunden Reisezeit über drei Etappen die Bahn.

Aussteigen und ankommen

Noch auf dem Bahnsteig montiere ich mein Bike zusammen, aktiviere meine Tracking-App und mache mich auf den Weg zur nächsten freien Bank im Hafen. Ich finde eine vorm Anleger der weißen Flotte. Die Schiffe kommen mit Fahrgästen an Bord bereits von ihrer ersten Tour zurück. Ich hole mein Fresspaket aus dem Rucksack und genieße das Frühstück im Freien, dazu heißen Kaffee aus der neuen Thermosflasche. An den Sportbootstegen liegen etliche Charterboote. An einer Kormoran weht eine Flagge vom FC Schalke 04. Hier hat sich anscheinend ein Fanclub einen Chartertörn anlässlich des Wiederaufstiegs in die 1. Bundesliga gegönnt. Von der Müritz kommend läuft eine private Kormoran in den Hafen ein.

Schnell finde ich ein Hinweisschild zum Nationalparkeingang und radle in südliche Richtung dorthin. Durch Kiefernwald fahrend umrunde ich den Warnker See und erreiche kurz darauf das Dorf Federow mit der aus Feldsteinen gemauerten Kirche. Ein Stück weiter im Ort lohnt der Besuch des Gutshauses, dessen Restaurant und Biergarten ab 13 Uhr öffnen. Auf dem gut ausgebauten Radweg steuere ich auf Schwarzenhof zu. Vorbei am Specker See und dem Hofsee erreiche ich den Ort Speck. Gelegentlich setzt sich eine Grauammer keck auf einen Busch, lässt ihr Gefieder im Sonnenlicht beinahe golden schimmern und nimmt Reißaus, wenn man ihr zu nahe kommt. Einige Kilometer hinter Speck mache ich am Priesterbäker See eine kurze Rast und fotografiere die Seerosen.

Weiter geht es in kurviger Fahrt zwischen den Bäumen durch nach Boek und anschließend zur Boeker Mühle. Von der Brücke blicke ich auf den Bolter Kanal, wo gerade ein Paddler sein Kajak zum Umtragen fertigmacht. Der Bolter Kanal war bis zur Eröffnung des Mirower Kanals im Jahr 1936 der reguläre Schifffahrtsweg zwischen der Müritz und der Havel. Neben der Mühle machte die Bolter Schleuse den Job der heutigen Schleuse in Mirow. Neben Sportbooten verkehrten durch den Bolter Kanal Fahrgastschiffe und Frachtkähne mit Ziegelsteinen aus Zehdenick. In jenen Jahren soll hier Hermann Görings Jagdrevier gewesen sein. Er fühlte sich von dem Trubel auf dem Kanal gestört, was zur Verlegung des Schifffahrtsweges weiter nach Süden geführt haben soll. Das erzählt einer der Müritzfischer, deren Restaurant einen tollen Blick auf die Teiche gewährt.

Die Bolter Mühle

Ich gönne mir ein Brötchen mit geräuchertem Matjes und mache mich gestärkt auf die letzte Etappe zum Hafendorf Müritz in Rechlin-Nord. Nach etwa drei Stunden Radeln erreiche ich den Claassee. Am Travellift begegne ich Erich und Maik. Maik ist der Herr der bei Kuhnle-Tours anfallenden Transporte und hat gerade ein Hausboot am Haken. Erich ist die gute Seele der Einweiser und jedem Stammkunden bestens bekannt. Während wir uns unterhalten, bemerke ich am nagelneuen Rad einen Plattfuß. Gut, dass auf dem Gelände vor einigen Jahren eine Verleihstation von RechlinRad eröffnet hat, die auch Schläuche und andere Ersatzteile im Regal hat.

Zeit für Entdeckungen

Bis es gegen 17 Uhr Zeit für die Heimreise ist, bleiben rund vier Stunden für den Aufenthalt im Hafendorf. Genug für eine Bootstour mit einem Kanu oder Kleinboot (auch diese kann man bei Kuhnle-Tours mieten), einen Besuch im Luftfahrttechnischen Museum nebenan, ein Essen im Captain’s Inn oder einen Drink im Beach Club Pirate’s Bar.

Rückfahrt zeitig einplanen

Die Reparatur ist nach einer halben Stunde erledigt und ich kann den Heimweg antreten. Weil der Nationalparkbus mit Fahrradanhänger nach Waren vor wenigen Minuten die Haltestelle auf dem Gelände verlassen hat, entschließe ich mich, bis zum Bahnhof Neustrelitz weiterzuradeln. Das müsste bis 20 Uhr zu schaffen sein. Der Rückweg führt zunächst bis zu den Fischteichen an der Boeker Mühle. Dahinter zweigt die Radroute nach rechts ab, vorbei am Woterfitzsee, der Zartwitzer Hütte und der Ortschaft Krienke nach Granzin. Kurz vor Granzin stoße ich auf die obere Endstation der Lorenbahn Pagelsee, mit der Paddler ihre Boote über die Straße zum Schulzensee umsetzen können.

Die Lorenbahn Pagelsee zum Umsetzen von Booten

Beide Seen werden von der Havel durchströmt, deren Quelle einige Kilometer weiter nördlich im Bornsee ist. Die Navi-App zeigt an, dass es bis zum Bahnhof in Neustrelitz noch genau eine Stunde dauert. Es könnte knapp werden. Hinter Dalmsdorf führt die Straße unter einer Bahnlinie durch. Das kann nur die Strecke Berlin-Rostock zwischen den Bahnhöfen Neustrelitz und Waren sein. Immerhin ein Orientierungspunkt, dass ich nicht vom Weg abgekommen bin. In Kratzeburg entdecke ich ein Hinweisschild, das zum Bahnhof führt. Ich frage eine Anwohnerin, ob hier auch die Regionalbahnen von Berlin nach Rostock halten. Sie bejaht. Ich bin erleichtert, mir nun den Rest der Strecke sparen zu können. Ich radele zum Käbelicksee hinterm Bahndamm zurück, verspeise meinen Proviant und genieße bis zur Abfahrt des Zuges den Blick auf den See und einen eindrucksvollen Regenbogen.

Schöner Schluss: Regenbogen über Kratzeburg

Wer die Tour einmal selbst radeln möchte, sollte sich als Ziel seiner 9-Euro-Tour den Bahnhof Kratzeburg merken. Für Radler startet hier mit 20 Kilometern die kürzeste Route nach Rechlin. Die Radrouten von Waren und Neustrelitz sind etwa doppelt so lang, aber nicht minder spannend. Wer sich das zutraut und nach den Hinfahrt vom Radeln genug hat, zieht für die Rückfahrt den Nationalparkbus nach Waren in Betracht. Allerdings könnte die letzte Abfahrt die anschließende Rückfahrt mit der Bahn vereiteln. Wer es am selben Tag bis Hamburg schaffen will, sollte den gegen 17 Uhr startenden Bus wählen, damit es mit dem Umsteigen in Waren klappt. Die Bahnfahrt von Hamburg Hbf nach Waren dauert ca. drei Stunden, ab Berlin Hbf sind es ca. 1:45 Stunden.

Nicht nur ein Weg führt zum Ziel

Die Variante mit der kürzesten Radstrecke führt mit dem Regionalexpress vom Startbahnhof nach Neustrelitz und von dort mit der Kleinseenbahn RB 16 weiter bis Mirow. Die anschließende Veloroute erstreckt sich über 14 Kilometer durch Lärz vorbei am Rechliner Flugplatz zum Claassee in Rechlin-Nord. Sie verläuft parallel zum Mirower Kanal, schwenkt hinter Lärz über die Lindenallee vorbei am Luftfahrtmuseum, dem Sumpfsee und der Kleinen Müritz zum Ziel.

Die Radtour durch den Müritz-Nationalpark im Überblick

Über eine Tagestour hinaus können auch Bootscharterer mit Bahn und Bus nach Rechlin reisen und ihr privates Klapprad mit an Bord nehmen. Letzteres wird nach der Ankunft in Waren auf den Fahrradanhänger des Nationalparkbusses gepackt und ab geht’s auf eine spannende Entdeckungsreise durch den Park, an deren Ende die Charterbasis im Hafendorf Müritz liegt.

(C) Klaus Neumann