Die Motoren-Flüsterer

Jeder hat schon die Geschichten gehört, die man sich in Ost und West über die legendären DDR-Schrauber erzählt, denen man einen Haufen Altmetall und ein paar Gummidichtungen vor die Werkstatttür kippt und die zwei Wochen später blinzelnd wieder ans Tageslicht kommen und einen perfekt laufenden Bootsmotor nebst Antrieb vor sich herschieben. Zwei Exemplare dieser seltenen Spezies sind bei der Kuhnle Werft heimisch geworden: Wenn Norbert Engel und Mario Tambach gesehen hätten, wie der US-Serienheld MacGyver aus einem Zementmischer- Motor, etwas Bambusrohr und einer Zeltplane ein Flugzeug bastelt, hätten sie nur müde gelächelt und überlegt, was man statt Bambusrohr nehmen könnte.

Der 46jährige Tambach und sein Kollege Engel (54) sind Schrauber aus Lust und Leidenschaft und mit Liebe zur Mechanik. Sie horchen im wahrsten Sinne des Wortes in die Motoren rein, legen die flache Hand an den Motorblock und erlauschen und fühlen, wie es dem Aggregat geht. Als Motoren-Flüsterer alter Schule erfreuen sie sich vor allem an den älteren Modellen, bei denen noch nicht die Elektronik für die Malaisen verantwortlich zeichnet. „Am schönsten ist doch so ein Langhuber, wo man noch jeden Takt hört“, schwärmt Norbert Engel, „das ist wie Musik, da stellt man sich gerne mal mit dem Ohr dazu.“ – „Wenn ein moderner 8-Zylinder hustet, weiß man nie gleich was es ist, weil da viel Elektronik dabei ist, die ja auch kaputt gehen kann, nur hört man das nicht gleich“ ergänzt Tambach.

Beide haben schon viele Liter Öl an den Händen gehabt. Engel, in Röbel an der Müritz groß geworden, hat nach seiner Maschinenschlosserlehre noch seinen Ingenieur gemacht und war dann für Wartung und Instandhaltung von Landmaschinen verantwortlich, kümmerte sich nach der Wende um Baumaschinen und hielt schließlich als Werkstattleiter eine ganze Speditionsflotte in Schuss, bis sich sein Sohn Denis, damals schon lange Kundenbetreuer in der Kuhnle Werft, das Überstundenkonto seines Vaters nicht mehr ansehen mochte und ihm vorschlug, statt an Lastern doch lieber an Booten zu schrauben.

„Schiffe und Boote fehlten mir noch“, lächelt Mario Tambach. „Ansonsten hab ich an allem geschraubt was Räder hat, auch in Flugzeugen bin ich rumgekrochen.“ Der 46jährige aus Sachsen-Anhalt verdiente sich erste Lorbeeren ähnlich wie Engel im Kreisbetrieb für Landtechnik, machte nach der Wende zusammen mit Kollegen aus der LPG-Werkstatt eine GmbH aus der er jedoch 2008 ausstieg, um sich alleine selbstständig zu machen. Die Liebe zu einer Warenerin und ein schwerer Autounfall veränderten dann alles. Anderthalb Jahre hielt Tambach seine Firma vom Krankenhaus aus am Laufen, dann meldete er sein Gewerbe wieder ab. Zwei Jahre dauerte es, bis er und seine heutige Frau wieder einigermaßen zusammengeflickt waren und Tambach als Motorentechniker bei der Kuhnle Werft anfing.

In den zweieinhalb Jahren, die die beiden Goldhände jetzt an Booten schrauben, haben sie einiges erlebt. Natürlich auch echte Sauereien: „Weißt du noch wie in Zeuthen ein 5-Zylinder ein Bein rausgestreckt hat? Alles voll Öl!“ Ein Bein rausgestreckt heißt in der Mechanikersprache, dass ein Pleuel abreißt und die Stange den Motorblock durchschlägt. „Da will man nicht dabei sein“, sagt Engel, „gerade nicht im Motorraum an Bord, wo man nirgendwo hin ausweichen kann.“

Mit Humor nehmen die beiden die Bootseigner, die vorgeben, jede Schraube an Bord persönlich zu kennen, sich aber nach dem Winterlager über eine verstopfte Gasleitung beklagen – bis sie den Haupthahn gezeigt kriegen.